Die Brücke von Krystinopol

Viele Brücken sind berühmter geworden. Über viele Kämpfe um solche berühmten Brücken wurden große Filme mit bekannten Schauspielern gedreht. Namen, die sich bei der Nachwelt eingeprägt haben, weil es eindrucksvolle Szenen darzustellen gab und diese zu einem spannenden Epos abgedreht werden konnte. Man hatte Helden und die Bewunderung der trägen Nachkriegs-Fernseher war den Produzenten sicher.

 

Um die Brücke bei Krystynopol ist es still geblieben.

Sie war lediglich eine unscheinbare Holzbrücke wie tausend andere auch.

 

1941 stand neben dem Brückengeländer eine kleine Tafel:

Graniza – Grenze zum großen Russischen Reich Stalins.

 

A U S S C H N I T T E

 

4. Kapitel       

Der Angriff

 

22.Juni 1941, 3 Uhr 15 Deutsche Sommerzeit.

 

Keiner der Soldaten wird je diesen Moment vergessen.

An den Tagen zuvor wurden bereits Bäume gefällt, um der Artillerie ein freies Schussfeld zu gewährleisten.

Es begann gerade hell zu werden, als an der gesamten Front ein infernalisches Artilleriefeuer losbrach. Nach den Leuchtspuren konnte bald die Brände am gegenüberliegenden Ufer beobachtet werden. Im Abschnitt des 524. Infanterie-Regimentes und natürlich auch nördlich und südlich davon war die Bunkerkette auf russischem Boden bestens bekannt. Sie sind in den alten Militärkarten mit roten Kreuzen verzeichnet.

 

Die Stalinlinie

Die erste Bunkerreihe war fertig, weitere zwei Reihen in die Tiefe gestaffelt waren im Bau, dazu noch diverse Lager, Mannschaftsunterkünfte und Munitionsdepots. Dass die Bunker zum Zeitpunkt des Angriffs nicht ernsthaft besetzt waren, war aber dem Kommando nicht bekannt. Man wollte die Bunkerlinie sozusagen weich schießen. Später wusste aber die vorrückende Infanterie zu berichten, dass die Russen erst im Moment des für sie völlig unerwartenden Angriffs von hinten aus den Mannschaftslagern zu den  Bunkern gelaufen waren und die Geschützrohre besetzten und aktivierten. Bis zum Übersetzten der Soldaten und dem Vorrücken am Vormittag war genug Zeit, den Widerstand auf Touren zu bringen.

Wären die Soldaten ohne vorangehendes Bombardement über Brücke und Fluss gekommen, sie hätten die meisten Bunker leer vorgefunden, einen  Widerstand hätte es kaum gegeben. Die Panzer waren ohnehin bereits durchgebrochen, die Infanterie hätte sich aber mit größter Wahrscheinlichkeit die ersten drei mörderischen Kampftage erspart – und auch die zahlreichen ersten Toten.

 

Vater Hubert Steinkellner, ebenfalls bei der 3.Kompanie, aber im 3.Zug, erzählt:

Um Mitternacht vom 21. zum 22.Juni mussten wir uns ganz langsam und leise bis zum Bug vorschleichen. Dort lagen schon die Schlauchboote bereit ...

 

Um 3 Uhr 15 begann das  Artilleriefeuer und dies kennzeichnete den Beginn des „Unternehmens Barbarossa“

 

    ... von unserem Stadel bis zum Bug war es nicht weit. Zuletzt war da ein Damm, über den wir ganz flach drüberrobben mussten. Auf der drüberen Seite den Damm also hinunter und hinein in die Flosssäcke, wie die grauen Boote hießen.

Wir mussten uns ganz flach auf den Boden der Boote drücken und die Köpfe tief einziehen, da unsere eigenen Maschinengewehre ganz knapp über uns hinweg schossen, um den Feind zu hindern, auf uns zu feuern.  Wer den Kopf hob, wurde somit von den eigenen Kugeln getroffen.  So erging es unserem eigenen Kompaniekommandanten Oblt.  Geisert, der von den eigenen MG-Salven tödlich getroffen wurde.

Am anderen Ufer angekommen gruben wir uns sofort ein, da von den russischen Bunkern heftiges Feuer kam.  Als die ersten Kameraden in meiner Nähe fielen, wurde mir so richtig bewusst, dass dies keine Übung mehr war sondern bitterer Ernst.

 

Vor uns war einer der russischen Wachtürme, von denen starkes Feuer kam, bis er endlich von unseren Leuten ausgeschaltet werden konnte.  Die Russen kämpften bis zum Ietzten Augenblick, der Wachturm wurde in Brand geschossen, die russischen Soldaten sind wahrscheinlich alle verbrannt.

 

Wir lagen 3 Tage vor den Bunkern, bis sie "geknackt " waren.  Es waren enorme, fast unzerstörbare Betonungeheuer, die bis zu 2 Stock in die Tiefe gingen und untereinander mit unterirdischen Gängen verbunden waren.

 

Die Bunkerkämpfe waren mörderisch.  In der Nacht und bei Tag.  Es war unheimlich heiß. Wenn wir bei Tag im Vorfeld der Bunker zu liegen kamen, konnten wir nicht vor und nicht zurück. Da war der Durst oft  so groß, dass wir das Wasser aus den Lachen unter den umgestürzten Bäumen tranken, das ganz gelb vom Lehm war.

 

Eine Nacht war  ich als Träger links der Straße nach Pozdzimierz eingesetzt. Plötzlich hörte ich ganz in der Nähe russische Stimmen, es gab ja keine richtige Frontlinie, ich kam aber wieder unbehelligt zu meiner Einheit zurück ...

 

Nach der Eroberung der Bunker ging der Vormarsch weiter. Entlang der Straße erreichten die deutschen Soldaten das Dorf Pozdzimierz, das nach einem Waldstück einige Kilometer hinter der Bunkerlinie lag. Dort stürmten die Soldaten alle Stadel und Möglichkeiten, wo man schlafen konnte und hatten nach den drei ersten fürchterlichen Kriegstagen endlich ein wenig Zeit zur Erholung.

 

Aber nicht lange … während der ersten Tage kam die Armee so schnell voran, dass die Infanterie kaum nachkommen konnten, die Panzer waren schon weit voraus.

Die übrigen Regimenter waren teilweise schon an den Bunkern vorbei weit vorgerückt, das Regiment meines Vaters lag fast 150 km hinter der Armeespitze zurück und nun hieß, es: Aufholen.  Im Hochsommer bei glühender Hitze gab es Tagesmärsche bis zu 30 oder 40 km.

Werner Steinkellner

Dr. med. univ.

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Graniza — Grenze

Dieses Schild an der Westseite des Flüsschens Bug sahen die Deutschen Soldaten, die bei Krystinopol die damalige polnisch-russische Grenze überschritten.

Kirche in Tomašov

vor dem Krieg

(Aufmarschgebiet der Deutschen Wehrmacht)

Original-Militärkarte